Höhenkrankheit: Symptome erkennen, Risiken verstehen und effektiv vorbeugen – Der ultimative Guide für Bergsteiger
Erfahren Sie, wie Sie Symptome der Höhenkrankheit (AKB, HLÖ, HHÖ) frühzeitig erkennen und durch medikamentöse Prophylaxe und langsame Akklimatisierung effektiv vorbeugen. Der ultimative Sicherheits-Guide für Bergsteiger ab 2.500 Metern.

Der Kampf ums Atmen: Wie Sie Höhenkrankheit rechtzeitig erkennen und Ihr Gipfelerlebnis sichern
Die majestätische Stille der Berge, die klare Luft, der atemberaubende Panoramablick – das sind die Momente, die Alpinisten und Trekking-Begeisterte suchen. Doch mit jedem zusätzlichen Höhenmeter nimmt nicht nur die Schönheit zu, sondern auch ein unsichtbares, potenziell lebensbedrohliches Risiko: die **Höhenkrankheit**.
Ein schlecht geplanter Aufstieg oder das Ignorieren erster Anzeichen kann eine unvergessliche Expedition schnell in einen medizinischen Notfall verwandeln. Dieser umfassende Guide liefert Ihnen das essenzielle Wissen, um die Höhenkrankheit (auch bekannt als **Akute Bergkrankheit** oder AKB) nicht nur zu verstehen und ihre Symptome frühzeitig zu erkennen, sondern sie durch eine kluge Strategie effektiv zu verhindern. Denn nur eine gut vorbereitete Besteigung ist eine sichere Besteigung.
Was passiert in der Höhe? Die physiologischen Grundlagen
Der Hauptauslöser für die Höhenkrankheit ist der sinkende atmosphärische Druck und damit der **abnehmende Sauerstoffpartialdruck** in der Atemluft. Während der prozentuale Anteil von Sauerstoff (ca. 21 %) in der Luft konstant bleibt, sinkt die absolute Anzahl der Sauerstoffmoleküle pro Atemzug. Dies zwingt den Körper zu einer Reihe von Anpassungsreaktionen, die als **Akklimatisierung** bezeichnet werden:
- Hyperventilation: Sie atmen schneller und tiefer, um mehr Sauerstoff aufzunehmen und überschüssiges Kohlendioxid abzugeben.
- Erhöhte Herzfrequenz: Das Herz pumpt schneller, um das Blut mit dem geringeren Sauerstoffgehalt effizienter durch den Körper zu transportieren.
- Nierenreaktion: Die Nieren scheiden Bicarbonat aus, um den Blut-pH-Wert zu normalisieren, der durch die Hyperventilation anfänglich ansteigt.
- Erhöhte Produktion roter Blutkörperchen: Dies ist eine langfristige Anpassung, die erst nach Tagen oder Wochen einsetzt (z. B. bei Hochlandbewohnern).
Die Höhenkrankheit tritt auf, wenn der Körper nicht schnell genug oder unzureichend auf diese Veränderungen reagiert. Im Allgemeinen beginnt das Risiko ab einer Höhe von etwa **2.500 Metern** signifikant zu steigen.
Das Spektrum der Höhenkrankheit: Von leicht bis lebensbedrohlich
Die Höhenkrankheit manifestiert sich in drei Hauptformen, die eine Eskalationskette darstellen. Es ist entscheidend, die Übergänge zu verstehen.
1. Die Akute Bergkrankheit (AKB) – Acute Mountain Sickness (AMS)
Die AKB ist die häufigste und mildeste Form. Sie tritt in der Regel 6 bis 12 Stunden nach der Ankunft in der Höhe auf. Die Symptome ähneln stark einem Kater oder einer leichten Grippe. Sie wird diagnostiziert, wenn Kopfschmerzen zusammen mit mindestens einem der folgenden Symptome auftreten:
- Leitsymptom: Pochende Kopfschmerzen (häufig nachts oder morgens schlimmer).
- Gastrointestinale Beschwerden: Appetitlosigkeit, Übelkeit oder Erbrechen.
- Erschöpfung/Schwäche: Außergewöhnliche Müdigkeit oder allgemeine Schwäche.
- Neurologische Symptome: Schwindel, Benommenheit oder leichte Schlafstörungen (periodische Atmung).
Wichtiger Hinweis: Solange die Symptome leicht sind und nicht fortschreiten, ist die AKB durch Ruhe und eine Pause in der Aufstiegsgeschwindigkeit gut behandelbar. Dies ist das **Signal zum Anhalten**.
2. Das Höhen-Lungenödem (HLÖ) – High Altitude Pulmonary Edema (HAPE)
HLÖ ist eine potenziell lebensbedrohliche Komplikation, bei der sich Flüssigkeit in der Lunge ansammelt. Es ist die häufigste Todesursache durch Höhenkrankheit. Im Gegensatz zur AKB kann HLÖ auch ohne schwere Kopfschmerzen auftreten.
Erkennung (Alarmsignale):
- Atemnot: Zunächst nur bei Anstrengung, später auch in Ruhe (das wichtigste Zeichen!).
- Trockener Reizhusten: Kann später blutigen, schaumigen Auswurf enthalten.
- Schwäche: Stark verminderte Belastbarkeit und schnelle Erschöpfung.
- Rasselnde/brodelnde Atemgeräusche: Ein deutliches Zeichen für Flüssigkeit in der Lunge.
- Lippen/Fingernägel werden blau (Zyanose): Ein Zeichen für schweren Sauerstoffmangel.
Handlung: **SOFORTIGER ABSTIEG!** Dies ist ein medizinischer Notfall.
3. Das Höhen-Hirnödem (HHÖ) – High Altitude Cerebral Edema (HACE)
HHÖ ist die seltenste, aber die tödlichste Form. Hierbei sammelt sich Flüssigkeit im Gehirn an, was zu Schwellungen führt. HHÖ kann sich aus einer unbehandelten AKB entwickeln.
Erkennung (Alarmsignale):
- Apathie/Verwirrtheit: Die Person reagiert seltsam, ist verwirrt oder apathisch.
- Ataxie (Gangunsicherheit): Der wichtigste Test ist der **Tandem-Gang-Test** (Zehe an Ferse). Wenn die Person nicht in der Lage ist, eine gerade Linie zu gehen, ist dies ein klares Zeichen.
- Starke, therapieresistente Kopfschmerzen: Die nicht auf herkömmliche Schmerzmittel ansprechen.
- Halluzinationen oder verändertes Bewusstsein: Von einfacher Desorientierung bis zum Koma.
Handlung: **SOFORTIGER NOTABSTIEG!** Das Leben ist in akuter Gefahr.
Prävention ist alles: Die goldenen Regeln für den Aufstieg
Die beste Behandlung der Höhenkrankheit ist, sie gar nicht erst zu bekommen. Durch sorgfältige Planung und disziplinierte Einhaltung der Akklimatisierungsregeln minimieren Sie das Risiko dramatisch.
1. Das Tempo: Die wichtigste Regel
- Schlafhöhe: Ab 3.000 Metern (manche empfehlen schon ab 2.500 m) sollte die Schlafhöhe pro Tag **nicht mehr als 300 bis 500 Meter** betragen.
- Zwischentage: Fügen Sie alle 1.000 Meter Aufstieg (oder alle 3 bis 4 Tage) einen **Ruhetag** ein, an dem Sie nicht höher aufsteigen (diese Regel gilt für die Schlafhöhe).
- Climb High, Sleep Low: Eine exzellente Strategie. Steigen Sie tagsüber etwas höher (z. B. 500–800 Meter), aber kehren Sie zum Schlafen zu einem niedrigeren Lager zurück. Dies fördert die Akklimatisierung, während der Körper in einer sauerstoffreicheren Umgebung regenerieren kann.
2. Hydratation und Ernährung
Die trockene Höhenluft und die Hyperventilation führen zu einem signifikanten Flüssigkeitsverlust. Ausreichende Hydratation ist entscheidend, da Dehydrierung die Symptome der AKB verschlimmern kann.
- Trinken Sie ausreichend: 3 bis 4 Liter Wasser, Tee oder verdünnte Elektrolytgetränke pro Tag sind ein guter Richtwert.
- Vermeiden Sie Alkohol: Alkohol dehydriert und beeinträchtigt die Urteilsfähigkeit und die Atmung, besonders während des Schlafs.
- Kohlenhydrate: Eine kohlenhydratreiche Ernährung (über 70 % der Kalorien) wird empfohlen, da der Körper Sauerstoff bei der Verstoffwechselung von Kohlenhydraten effizienter nutzt als bei Fetten oder Proteinen.
3. Medikamentöse Prophylaxe (Vorbeugung)
Die medikamentöse Vorbeugung ist für Personen mit bekannter Anfälligkeit, bei schnellem Aufstieg oder wenn keine ausreichende Akklimatisierung möglich ist, eine sinnvolle Option.
- Acetazolamid (Diamox): Dies ist das Goldstandard-Medikament zur Vorbeugung. Es wirkt als leichter Carboanhydrase-Hemmer, der die Nieren stimuliert, Bicarbonat auszuscheiden. Dies säuert das Blut an und zwingt den Körper, tiefer und schneller zu atmen – eine künstliche Beschleunigung der Akklimatisierung. Die Einnahme sollte **24 Stunden vor dem Aufstieg** beginnen.
- Dexamethason: Ein starkes Kortikosteroid, das zur Behandlung von mittelschwerer bis schwerer AKB oder HHÖ eingesetzt wird. Es wird nur selten zur Prophylaxe verwendet, kann aber eine Option sein, wenn Acetazolamid nicht vertragen wird.
- Nifedipin (Calciumkanalblocker): Wird primär zur Vorbeugung und Behandlung des Höhen-Lungenödems (HLÖ) eingesetzt, da es den Blutdruck in der Lungenarterie senkt.
Wichtig: Besprechen Sie die Einnahme dieser Medikamente IMMER vor der Reise mit Ihrem Hausarzt oder einem reisemedizinisch erfahrenen Arzt.
Notfallmanagement: Was tun, wenn es ernst wird?
Der Umgang mit Höhenkrankheit erfordert Entschlossenheit und klare Regeln. Die wichtigste Regel kann Leben retten:
Die eiserne Regel: Steige niemals höher mit Symptomen der Höhenkrankheit.
Abhängig von der Schwere der Symptome gibt es drei Handlungsanweisungen:
- Leichte AKB (nur Kopfschmerzen, leichte Übelkeit): Stoppen Sie den Aufstieg. Ruhen Sie sich aus. Nehmen Sie einfache Schmerzmittel (Ibuprofen, Paracetamol) und warten Sie 24 Stunden, bis die Symptome abgeklungen sind.
- Mittelschwere AKB (schwere Kopfschmerzen, Erbrechen, starkes Krankheitsgefühl): **Sofortige medikamentöse Behandlung** mit Acetazolamid und/oder Dexamethason. Wenn die Symptome nach 24 Stunden Pause nicht verschwinden oder sich verschlimmern, **MÜSSEN Sie absteigen** (mindestens 500 Meter).
- HLÖ oder HHÖ (Atemnot in Ruhe, Verwirrtheit, Gangunsicherheit): **SOFORTIGER ABSTIEG.** Das ist die einzige zuverlässige Therapie. Der Patient muss so schnell wie möglich auf eine Höhe absteigen, auf der die Symptome verschwinden (häufig 1.000 Meter tiefer). Zusätzliche Maßnahmen sind die Gabe von Sauerstoff (wenn verfügbar) und spezifischen Notfallmedikamenten (Nifedipin für HLÖ, Dexamethason für HHÖ).
Die Rolle des Begleiters: Achtsamkeit in der Gruppe
Im Hochgebirge ist Selbstreflexion oft eingeschränkt, da die Symptome auch die Urteilsfähigkeit beeinflussen. Es ist die Pflicht der Begleiter, täglich nach Anzeichen bei ihren Teammitgliedern zu suchen. Fragen Sie aktiv: „Haben Sie Kopfschmerzen?“, „Können Sie diese Linie entlang gehen?“ (Tandem-Gang-Test). Achten Sie auf Verhaltensänderungen wie Lethargie oder erhöhte Reizbarkeit.
Fazit: Wissen als Lebensversicherung
Die Berge sind ein faszinierendes, aber anspruchsvolles Terrain. Die Höhenkrankheit ist keine Frage der Fitness – sie kann jeden treffen. Der Schlüssel zu einer erfolgreichen und sicheren Expedition liegt in einem langsamen, methodischen Aufstieg, strikter Einhaltung der Akklimatisierungsregeln und dem Wissen, die gefährlichen Anzeichen rechtzeitig zu erkennen. Indem Sie die Symptome nicht verdrängen, sondern als klare Warnsignale interpretieren, treffen Sie die richtigen Entscheidungen. Bereiten Sie sich vor, steigen Sie langsam und genießen Sie die unvergesslichen Momente über den Wolken.


