Lawinenverschüttetensuche: LVS-Gerät üben und immer mitnehmen
LVS-Gerät richtig nutzen: Erfahre, warum Mitnehmen und regelmäßiges Üben der Lawinenverschüttetensuche lebenswichtig sind – mit Praxis-Tipps für Training und Tourenalltag.

Wer abseits gesicherter Pisten unterwegs ist, trägt große Verantwortung – für sich selbst und für die Gruppe. Ein Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS-Gerät) ist dabei kein optionales Extra, sondern ein unverzichtbarer Lebensretter. Doch ein Gerät allein genügt nicht: Nur wer die Handgriffe im Ernstfall automatisiert beherrscht, kann in den entscheidenden Minuten wirksam helfen.
Dieser Artikel zeigt, warum das konsequente Mitnehmen des LVS-Geräts und regelmäßige, realitätsnahe Übungen so wichtig sind. Zudem erläutert er den typischen Ablauf einer Verschüttetensuche, gibt praktische Trainings-Tipps und erklärt, wie du das Gerät bestmöglich in deinen Tourenalltag integrierst.
Warum das LVS-Gerät unverzichtbar ist
Bei einem Lawinenabgang zählt jede Sekunde, denn die Überlebenschancen von Verschütteten sinken bereits nach wenigen Minuten drastisch. Ein funktionierendes LVS-Gerät ermöglicht es dir und deiner Gruppe, Verschüttete ohne professionelle Hilfe schnell zu orten und zu bergen. Ohne dieses Hilfsmittel bist du im Ernstfall weitgehend auf Zufall oder das Eintreffen der Bergrettung angewiesen – wertvolle Zeit, die Leben kosten kann.
Wichtig ist, dass alle Personen in der Gruppe ein eigenes LVS-Gerät tragen und dieses korrekt am Körper befestigt ist, nicht lose im Rucksack. Nur so ist gewährleistet, dass das Gerät bei einem Lawinenabgang bei der Person verbleibt und ein klarer Sendekanal aufgebaut werden kann. Ergänzt wird das LVS-Gerät idealerweise immer durch Schaufel und Sonde, denn Ortung allein rettet niemanden, wenn anschließend nicht rasch ausgegraben werden kann.
Mitnehmen ist Pflicht, nicht Kür
Ein häufiger Fehler ist die Annahme, dass auf „harmlosen“ Touren oder bei niedriger Lawinenwarnstufe auf das LVS-Gerät verzichtet werden könne. Lawinen sind komplexe Naturereignisse, und auch bei moderater Gefahrenstufe können ungünstige Hangneigung, Exposition oder Altschneeprobleme kritische Situationen erzeugen. Wer dann ohne Ausrüstung unterwegs ist, nimmt unnötige Risiken in Kauf – für sich selbst und für andere.
Ein zweites Problem ist der sogenannte Alibi-Effekt: Das Gerät ist zwar dabei, wurde aber nie richtig trainiert. In Stresssituationen führt das schnell zu Fehlbedienung, Zeitverlust und hektischem Agieren. Deshalb sollte der Grundsatz gelten: Wer ohne LVS-Gerät, Schaufel und Sonde geht oder nicht weiß, wie man sie bedient, bleibt im Gelände abseits der Piste besser zuhause. Erst die Kombination aus konsequentem Mitnehmen und verinnerlichter Bedienung macht das Sicherheitskonzept vollständig.
Grundlagen der Lawinenverschüttetensuche
Die klassische Verschüttetensuche mit LVS-Gerät folgt einem klar strukturierten Ablauf. Dieser gliedert sich grob in drei Suchphasen mit dem Gerät sowie die anschließende Feinsuche per Sonde und das Ausschaufeln. Diese Struktur hilft, in der Hektik ruhig und zielgerichtet vorzugehen, anstatt planlos über das Lawinenfeld zu laufen.
Die drei Phasen lauten üblicherweise Signalsuche, Grobsuche und Feinsuche. Zunächst wird das Erstsignal gefunden, anschließend der Bereich der Verschüttung eingegrenzt und schließlich der genaue Punkt lokalisiert. Danach folgt die Punktsuche mit der Sonde, bevor dann möglichst effizient ausgeschaufelt wird. Wer diese Abfolge regelmäßig trainiert, kann sie im Notfall beinahe automatisch abrufen.
Signalsuche: Das Erstsignal finden
Nach einem Lawinenabgang muss die Gruppe zunächst für Sicherheit sorgen, den Überblick behalten und unverzüglich alle LVS-Geräte auf „Empfang“ schalten – außer dem Gerät der offensichtlich Verschütteten, das auf „Senden“ bleibt. Die Signalsuche dient dazu, im Lawinenkegel erstmals Kontakt mit dem Sendesignal aufzunehmen. Dabei wird das verschüttete Areal systematisch in Suchstreifen abgeschritten.
Die Suchenden bewegen sich dabei mit möglichst großer Geschwindigkeit, ohne unnötige Pausen oder Richtungswechsel. Das Gerät wird in einer definierten Position vor dem Körper gehalten, um Störungen zu minimieren. Je nach Gerät und Hersteller gibt es empfohlene Suchstreifenbreiten, die unbedingt bekannt sein sollten. Ziel dieser Phase ist es, ein erstes, meist noch schwaches Signal zu empfangen, das den Übergang in die Grobsuche ermöglicht.
Grobsuche: Rasch näherkommen
Ab dem Moment des Erstempfangs gilt es, den Abstand zur verschütteten Person so schnell wie möglich zu verkürzen. Die Grobsuche folgt den Richtungs- und Distanzanzeigen des LVS-Geräts, während sich die suchende Person zügig, aber kontrolliert bewegt. Häufig verläuft die Spur in Serpentinen oder entlang der Feldlinien des Signals, je nach Geländeform und Gerätekonzept.
Je näher man der Signalquelle kommt, desto wichtiger wird es, auf Geländestrukturen zu achten und Skier oder Snowboard rechtzeitig abzulegen, um später schnell sondieren und schaufeln zu können. Spätestens in dieser Phase sollten Sonde und Schaufel aus dem Rucksack bereitgelegt werden. Kommt die Distanzanzeige in den einstelligen Bereich, geht die Grobsuche allmählich in die Feinsuche über.
Feinsuche: Zentimeter genau arbeiten
In der Feinsuche wird die Geschwindigkeit deutlich reduziert und das LVS-Gerät möglichst knapp über der Schneeoberfläche geführt. Ziel ist es, den Bereich mit der geringsten Distanzanzeige und stärksten Signalstärke exakt zu lokalisieren. Dazu wird das Gerät meist in einem Kreuzmuster bewegt: Zunächst entlang einer Achse, bis der Messwert wieder steigt, dann senkrecht dazu über den Punkt mit der vermuteten geringsten Distanz.
Entscheidend ist, dass das Gerät während dieser Phase nicht gedreht, sondern in einer stabilen Lage gehalten wird. Der kleinste angezeigte Distanzwert markiert in der Regel den Punkt, an dem später sondiert wird. Diese Stelle kann etwa mit einem Handschuh oder der Schaufel markiert werden, um sofort und ohne Verzögerung zur Punktsuche überzugehen.
Punktsuche mit der Sonde
Nach der Feinsuche kommt die Sonde zum Einsatz, um die exakte Position und Tiefe der verschütteten Person festzustellen. Die Sonde wird am markierten Punkt senkrecht zur Schneedecke bzw. im rechten Winkel zum Hang eingeführt. Trifft der erste Stich nicht, wird spiralförmig oder in einem systematischen Raster mit kleinem Stichabstand weiter sondiert, bis ein deutlicher Widerstand spürbar ist.
Ein Treffer fühlt sich meist klar anders an als der Widerstand von hartem Schnee oder Eis. Die Position des Treffers wird sofort deutlich markiert, um anschließend zielgerichtet zu schaufeln. Wichtig: In dieser Phase sollte die Kommunikation in der Gruppe klar und ruhig bleiben – wer sondiert, wer schaufelt, wer organisiert das Umfeld, wird idealerweise bereits vor der Tour besprochen und trainiert.
Ausschaufeln: Effizient statt planlos graben
Ist die Position bekannt, beginnt der körperlich anstrengendste Teil: das Ausgraben. Statt direkt senkrecht von oben zu schaufeln, empfiehlt es sich, etwas hangabwärts einen „Graben“ anzulegen, der zur verschütteten Person hinführt. So kann der Schnee effizienter abtransportiert werden, ohne ständig über die eigene Arbeitsfläche hinwegheben zu müssen.
Arbeitet ein Team, kann ein Schaufelförderband gebildet werden: Die Personen stehen versetzt hintereinander, reichen den Schnee nach hinten weiter und wechseln sich regelmäßig ab, um Erschöpfung zu vermeiden. Sobald Körperkontakt besteht, hat die Freilegung von Kopf und Atemwegen absolute Priorität. Erst wenn die Atmung kontrolliert und die Person stabil gelagert ist, werden weitere medizinische Maßnahmen und der Abtransport organisiert.
Regelmäßiges Training: Vom Wissen zum Können
Zwischen theoretischem Wissen und praktischem Können liegt ein großer Unterschied. Unter Stress, bei Kälte und schlechter Sicht versagen oft feinmotorische Fähigkeiten, und nur was intensiv geübt wurde, funktioniert dann zuverlässig. Deshalb reicht ein einmaliger Kurs nicht aus – es braucht regelmäßige Auffrischungen und möglichst realistische Szenarien.
Für das Training eignen sich vorbereitete Übungsfelder oder Avalanche Training Center, bei denen mehrere Sender im Schnee vergraben sind und unterschiedliche Szenarien simuliert werden können. Aber auch auf einer Wiese oder einem harmlosen Hang lassen sich einfache Übungen durchführen, etwa mit unter Gegenständen versteckten Geräten. Wichtig ist, dass verschiedene Konstellationen geübt werden: Einzel- und Mehrfachverschüttungen, unterschiedliche Hanggrößen und -formen sowie Tag- und Dämmerungsbedingungen.
Konkrete Übungsszenarien für LVS-Training
Um den Umgang mit dem LVS-Gerät zu festigen, lohnt es sich, vor jeder Tour oder zu Saisonbeginn kurze Standardszenarien durchzuspielen. So wird das Umschalten des Geräts, das Interpretieren von Anzeigen und das koordinierte Arbeiten im Team zur Routine. Bereits wenige Minuten Training pro Tour machen auf die Saison gesehen einen großen Unterschied.
- Einfaches Signalsuch-Training: Eine Person versteckt ein eingeschaltetes Gerät auf einer Wiese oder einem flachen Hang, die anderen starten in definierter Entfernung mit der Signalsuche und müssen den Erstempfang möglichst schnell erreichen.
- Grobsuche und Feinsuche kombinieren: Die Suchenden folgen dem Signal bis zum minimalen Distanzwert und markieren den Punkt. Anschließend wird die Zeit gestoppt, um Fortschritte zwischen verschiedenen Übungstagen sichtbar zu machen.
- Komplettes Szenario mit Sonden und Schaufeln: Ein Gerät wird in einer Schneemulde oder unter Schnee vergraben, die Gruppe muss den gesamten Ablauf von Notfallorganisation über Suche und Sondieren bis zum Ausschaufeln durchlaufen.
- Teamrollen trainieren: Verschiedene Personen übernehmen abwechselnd die Rolle der Suchenden, der Sondierenden und der Schaufelnden, um alle Phasen aus unterschiedlichen Perspektiven kennenzulernen.
Ausrüstungskette: LVS-Gerät, Sonde, Schaufel
Das LVS-Gerät wirkt nur im Verbund mit passender Zusatzausrüstung wirklich effektiv. Eine stabile, ausreichend lange Sonde ermöglicht das präzise Lokalisieren der verschütteten Person und reduziert Fehlschläge. Eine robuste, für harten Schnee geeignete Lawinenschaufel ist unverzichtbar, da weicher Pulverschnee bei Lawinen oft zu einer dichten, fast betonartigen Masse verdichtet wird.
Alle drei Komponenten sollten im Rucksack leicht zugänglich und in einem festgelegten System verstaut sein, damit im Notfall keine Zeit mit Suchen verloren geht. Ebenso wichtig ist die regelmäßige Funktionskontrolle: Vor jeder Tour sollten Batteriestand, Sendefunktion, Gehäusezustand und die Mechanik der Sonde sowie der Schaufel geprüft werden. Wer hier konsequent ist, minimiert technische Ausfälle im Ernstfall deutlich.
Typische Fehler und wie du sie vermeidest
Gerade ungeübte Gruppen machen im Notfall ähnliche Fehler: Geräte werden nicht rechtzeitig auf „Empfang“ gestellt, es kommt zu hektischem Durcheinander, und niemand übernimmt klar die Führung. Hinzu kommen Bedienfehler wie das Drehen des Geräts in der Feinsuche, zu große Suchstreifen oder unzureichende Kommunikation innerhalb der Gruppe.
Diese Schwachstellen lassen sich durch bewusstes Training und klare Absprachen vor der Tour deutlich reduzieren. Festgelegte Kommandos, definierte Rollen und vorher besprochene Notfallpläne schaffen Struktur in einer Ausnahmesituation. Regelmäßige gemeinsame Übungen stärken zudem das Vertrauen in die Gruppe und in die eigene Handlungssicherheit.
LVS-Gerät im Tourenalltag integrieren
Damit das LVS-Gerät nicht als lästige Pflicht empfunden wird, sollte es ein fester Bestandteil jeder Wintertour werden – ähnlich selbstverständlich wie Helm oder Handschuhe. Dazu gehört, das Gerät bereits zuhause anzulegen, die Funktionskontrolle im Auto oder am Parkplatz durchzuführen und vor dem Losgehen einen kurzen Gruppencheck zu machen.
Auch unterwegs bleibt das Gerät am Körper und wird nicht für kurze Pausen abgelegt oder im Rucksack verstaut. In Pausen oder an Schlüsselstellen kann die Gruppe kurz wiederholen, wer im Notfall welche Rolle übernimmt. So bleibt das Thema präsent, ohne Angst zu erzeugen – es wird schlichtweg zum professionellen Standard im winterlichen Bergsport.
Mit Wissen, Übung und Disziplin sicherer unterwegs
Ein LVS-Gerät zu besitzen, ist nur der erste Schritt. Entscheidend ist, es bei jeder Tour mitzunehmen, seine Funktionen zu verstehen und die Anwendung regelmäßig zu trainieren. Wer sich dieser Verantwortung bewusst stellt, erhöht nicht nur die eigene Sicherheit, sondern trägt aktiv zum Schutz der gesamten Gruppe bei.
Mit einer Kombination aus solider Tourenplanung, Einschätzung der Lawinenlage, vollständiger Notfallausrüstung und routiniertem Umgang mit dem LVS-Gerät lassen sich Risiken im winterlichen Gelände deutlich reduzieren. Absolute Sicherheit gibt es in den Bergen nie – aber ein professioneller, geübter Umgang mit der Lawinenverschüttetensuche kann im Ernstfall den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen.


